Tagesthemen-Kommentar zum Impfstoff-Vorrat

Zur Amtsübergabe haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsministerium Karl Lauterbach einen Nussknacker geschenkt. Vielleicht wäre aber ein Taschenrechner besser gewesen. Dann hätte er selber ausrechnen können, dass bis Jahresende zumindest genug Moderna-Impfstoff zur Verfügung steht. 

Erst gestern hat Lauterbachs Sprecher auf eine Tabelle verwiesen, der zufolge mehr als 40 Millionen Booster-Impfdosen bis Jahresende ausgeliefert werden. 

Vor drei Tagen hat sein Ministerium eine weitere Tabelle veröffentlicht, der zufolge 18 Millionen unverimpfte Dosen übrig sind. Doch ob es all diese Dosen gibt oder nicht, ob sie von Ärzten gebunkert oder weggeworfen wurden - das weiß im Ministerium niemand.

In diesen Tagen wird sichtbar, wie chaotisch die Impfstoff-Logistik in Deutschland ist. Wenn es einen Mangel gibt, dann rührt er allenfalls daher, dass Ärztinnen und Ärzte den Biontech-Impfstoff derzeit auch an Über-30-Jährige verimpfen, statt ihn für Unter-30-Jährige zu reservieren. Der bisherige Minister Jens Spahn versicherte zwar, es sei genug Impfstoff da. Aber konkrete Zahlen fürs kommende Jahr hat er nie veröffentlicht. 

Dennoch: Der Alarmton, den Lauterbach jetzt angeschlagen hat, ist viel zu schrill. Er will im ersten Quartal des nächsten Jahres 50 Millionen Booster-Impfungen verabreichen - bei einer Bevölkerung, in der schon jetzt 23 Millionen geboostert sind. 50 Millionen bedeutet, dass nicht nur hundert Prozent aller Erwachsenen geboostert werden müssen, sondern auch Kinder ab 12 Jahren. 

Dass der neue Minister eine Inventur gemacht hat, ist richtig. Dass er sich anschliessend aber gleich zum Impfstoff-Retter der Nation stilisiert, war ein unnötiger Image-Booster.