Maskenaffäre: "Mit Herzblut nur für Sie"

Am 3. März 2020, abends um 20.14 Uhr, schickte Andrea Tandler ein Angebot ans Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen: Eine Million FFP2-Masken für 9,9 Millionen Euro. Tandler arbeitete mit ihrer PR-Agentur für die Handelsfirma Emix aus der Schweiz, die zuvor Kosmetika, Parfum und Schmuck aus China importierte, mit Ausbruch der Pandemie aber schnell auf Schutzausrüstung umsattelte.

Fünf Tage vor dem Emix-Angebot hatte das NRW-Ministerium schon mal eine Ladung Masken beim Hersteller 3M gekauft, allerdings nicht zum Preis von 9,90 Euro, sondern für 1,15 Euro pro Stück. Doch Masken waren plötzlich Mangelware im Corona-März 2020, die Nachfrage aus den Kliniken war riesig und NRW ging auf das teure Angebot ein. Am nächsten Tag um 13.58 Uhr schickte Frau Tandler erneut eine Email. "Wir benötigen heute die Anzahlungsbestätigung über 50%." Auch auf diese Forderung ging NRW ein und überwies binnen Stunden knapp fünf Millionen Euro in die Schweiz.

Die Tochter des Ex-CSU-Politikers half bei der Vermittlung von Corona-Masken und bekam eine hohe Provision.

Plötzlich Masken aus Hongkong Laut dem Vertrag sollte Emix hochwertige Masken der Firma 3M nach Nordrhein-Westfalen liefern. Doch eine Woche später war davon schon keine Rede mehr. "Seit Ihrer Auftragserteilung wurden Emix Trading drei Stocks von 3M weltweit eingefroren", mailt Andrea Tandler ans NRW-Ministerium, aber "wir haben eine Lösung für Sie erarbeitet". Statt Masken von 3M bot Emix nun Masken aus Hongkong an, zum gleichen Preis, versteht sich. NRW akzeptierte auch das und schrieb zurück: "Wir gehen davon aus, dass es sich um mangelfreie Ware und um keine Fälschungen handelt." Fast wortgleich war das Angebot, das Emix am 3. März ans bayerische Gesundheitsministerium schickte: eine Millionen FFP2-Masken, allerdings zum Preis von 8,90 Euro pro Maske, also ein wenig billiger. Und auch das Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn kaufte Masken in großem Stil bei Emix. Hunderte Millionen gingen in die Schweiz Insgesamt hat Deutschland Schutzkleidung im Wert von fast 700 Millionen Euro bei den Schweizer Jungunternehmern eingekauft, die dabei einen Profit von schätzungsweise mehr als 100 Millionen, vielleicht sogar bis zu 200 Millionen Euro gemacht haben. Andrea Tandler, Tochter des ehemaligen CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler, soll für ihre Vermittlerdienste zusammen mit ihrem Partner eine Provision zwischen 34 und 51 Millionen Euro bekommen haben.

Andrea Tandler selbst beantwortet Anfragen zum Fall bisher nicht. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München bezüglich des Kaufes der Masken durch das bayrische Gesundheitsministerium wurde inzwischen eingestellt. Emix erklärt, man habe sich bei den Masken "stets innerhalb des aktuellen Marktpreises bewegt". Andere Händler bezweifeln das: So importierte etwa auch die MyDental GmbH aus Iserlohn im März 2020 Masken aus Hongkong. Nach Angaben des Geschäftsführers Klaus Köhler sollen die Einkaufspreise bei 1,70 Euro pro Maske gelegen haben, dazu elf Cent Einfuhrzoll und 33 Cent Luftfracht. "Wir haben die Masken für 3,55 Euro verkauft", sagt Köhler. Wenn er hört, dass NRW damals 9,90 Euro pro Maske bezahlt hat, hält er das "für Wucher". Zustande kamen die Deals mit deutschen Ministerien über Monika Hohlmeier, CSU-Europaabgeordnete und Tochter des langjährigen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß. Die Töchter Hohlmeier und Tandler sind befreundet. Ende Februar 2020 erhielt Hohlmeier die erste SMS-Nachricht in dieser Sache von Tandler. "Hi Moni", beginnt sie, "ein Freund von mir aus der Schweiz hat einen großen Bestand an Atemschutzmasken". Er verhandle zwar auch gerade mit Amazon, "würde aber lieber an die öffentliche Hand verkaufen"."Dann gehen sie morgen nach Österreich" Hohlmeier nimmt Kontakt zur bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) auf und übermittelt das Angebot von einer Million Masken. "Eilige Interessenanmeldung nötig, da viele Anfragen", schreibt Hohlmeier. Auch an Jens Spahn schreibt die CSU-Politikerin: "Bei Interesse bitte kurzfristig Bescheid geben. Wenn kein Bedarf dann gehen sie morgen nach Österreich." Alle gehen auf das eilige, wenn auch teure Angebot ein. Heute teilt Monika Hohlmeier mit, dass sie weder gewusst habe, dass es sich bei dem angeblichen "Freund" um Emix gehandelt habe noch dass 50 Prozent Vorauszahlung nötig war. Es sei Aufgabe der zuständigen Ministerien gewesen, "Angebote zu prüfen, zu entscheiden und Verträge zu schließen". Sie selbst habe im übrigen auch nichts an den Geschäften verdient. Die Details der Geschäfte gehen aus E-Mails zwischen Emix und dem NRW-Gesundheitsministerium hervor, die der NRW-Landtagsabgeordnete Stefan Kämmerling (SPD) mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes erhalten und das Portal fragdenstaat.de veröffentlicht hat. NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" (SZ) haben die E-Mails zusammen mit SMS-Nachrichten von Monika Hohlmeier und weiteren internen Unterlagen aus Ministerien ausgewertet.

Deutlich wird, wie unzufrieden das Ministerium schon bald mit Emix war. Erst wurden die zugesicherten 3M-Masken gegen Masken aus Hongkong ausgetauscht, dann wurden die Lieferungen immer wieder verschoben. Die Emix-Geschäftsführer lobten sich in ihren E-Mails ans Ministerium zwar selbst über den Klee: "Wir kennen alle Märkte, Produzenten und Logistikanbieter, welche in diesem Markt aktiv sind. Wir sind so gut aufgestellt wie kein anderes Unternehmen in dieser Krisenlage und geben 24/7 unser allerbestes", schrieb Emix Eigner Steffen Luca am 18. März und endete mit dem Versprechen: "Wir arbeiten aktuell mit Herzblut ausschließlich für Sie", es gebe "keinen besseren Partner als Emix." Und sein Kompagnon Jascha Rudolphi setzte sich in der gleichen Nacht noch an den Rechner und mailte: "Es ist 3 Uhr nachts und wir sind immer noch für Sie im Einsatz". Doch irgendwann wollen sich auch die Ministerialbeamten nicht mehr hinhalten lassen. Zwei Wochen später schreibt das Ministerium: "Sofern ich bis Morgen keine Rückmeldung erhalten habe, werde ich die teilweise Rückabwicklung des Vertrages einleiten." So kommt es auch am Ende: NRW bezahlt nur die bis dahin gelieferten 527.200 FFP2-Masken. Aus einer Aufstellung des NRW-Ministeriums geht hervor, dass das größte Bundesland insgesamt 68 Millionen FFP2-Masken von Dutzenden Lieferanten bezogen hat. Der Durchschnittspreis belief sich auf 4,34 Euro. Doch der Deal mit Emix, der mit Hilfe der CSU-Connection zustande kam, blieb der teuerste.