"Schützt Dich und mich. LG Jens"

Deutsche Ministerien haben im Jahr 2020 für knapp 700 Millionen Euro Corona-Schutzmasken von der Schweizer Firma Emix gekauft. Es war nicht nur einer der größten Maskendeals in der Pandemie, sondern auch einer der teuersten. Der Bund zahlte im Schnitt 5,58 Euro pro Maske an Emix, Bayern 8,90 Euro und NRW sogar 9,90 Euro pro FFP2-Maske. Der Gewinn von Emix, einer Mini-Firma von zwei Schweizer Jungunternehmern, dürfte sich auf 100 bis 200 Millionen Euro belaufen. Genaue Angaben dazu macht das Unternehmen nicht. Auf Anfrage teilte es lediglich mit, der Gewinn betrage weniger als 50 Prozent. 

Um die Ware in Deutschland zu verkaufen, setzte Emix auf die Hilfe von Andrea Tandler, Tochter des ehemaligen CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler. Sie betreibt mit ihrem Partner Darius N. eine kleine PR-Agentur namens "Little Penguin". Vor Ausbruch der Pandemie machte Andrea Tandler mit einer anderen Firma Werbung für bayerisches Bier, bayerisches Müsli und bayerische Landhausmöbel. Doch die Maskendeals katapultierten den kleinen Pinguin sofort in eine andere Liga. Sie soll von Emix zwischen 5 und 7,5 Prozent Provision bekommen haben, je nach Vertrag. Allein im Mai 2020 sollen 14 Millionen Euro an Tandlers PR-Agentur geflossen sein, nach Schätzungen sollen es insgesamt zwischen 34 und 51 Millionen Euro gewesen sein. 

Doch um die Ware deutschen Ministerien anzubieten, benötigte Tandler Hilfe. Am 28. Februar 2020 schickte sie eine SMS an die mit ihr befreundete CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier, Tochter des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß. Sie berichtete der "lieben Moni", dass "ein Freund aus der Schweiz" einen großen Bestand an Corona-Schutzmasken hätte. Hohlmeier schrieb eine SMS-Nachricht an die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) und fragte die "liebe Melanie", ob Bayern Schutzmasken brauche, der Händler verlange angeblich normale Preise. Als Tandler nachhakte, ob es schon eine Antwort der bayerisches Gesundheitsministerin Melanie Huml gebe, simste Hohlmeier, dass Bayern großes Interesse habe, die Masken zu kaufen. 

Nach der Zusage aus Bayern fragte Tandler ihre Parteifreundin Hohlmeier, ob sie auch einen Kontakt zur Bundesregierung habe und drängte, dass sie schnell eine Entscheidung brauche. Hohlmeier simste direkt Bundesgesundheitsminister Spahn an und bot dem "lieben Jens" drei Millionen Schutzmasken an. Sie selbst sei in den Deal aber in keiner Weise finanziell involviert, wie sie in einer der SMS-Nachrichten mitteilte, die NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" (SZ) einsehen konnten. Spahn simste noch am selben Abend zurück, dass klar Bedarf bestehe, sie solle das Angebot an die Bundestags-E-Mail-Adresse seines Mitarbeiters schicken, er speise das dann ein. 

Auf Anfrage räumt Monika Hohlmeier ein, "die von Andrea Tandler nachgefragten Kontakte zu den Gesundheitsministerien in München und Berlin vermittelt" zu haben. Allerdings seien ihr die Preise von Emix "nicht einmal annähernd bekannt" gewesen und "persönlich halte ich es nicht für richtig, in einer Notlage überhöhte Provisionen zu verlangen". Die Schweizer Handelsfirma Emix teilt auf Anfrage zu den jetzt bekannt gewordenen SMS-Nachrichten lediglich mit: "Persönliche Korrespondenz kommentieren wir grundsätzlich nicht." 

Im Mai 2020 allerdings hatte Emix Probleme. Die vom Gesundheitsministerium beauftragte Unternehmensberatung EY stoppte die Bezahlung offener Rechnungen in Höhe von 168 Millionen Euro an die Schweizer Händler, weil es angeblich Qualitätsprobleme mit einigen Masken gegeben habe. Erneut ließ Tandler ihre Kontakte zu Hohlmeier spielen und bat sie nun dringend um Hilfe, in den letzten Monate habe man alles getan, um Deutschland mit Schutzmasken zu beliefern, schrieb sie, jetzt aber wolle man Emix ausbluten lassen. Die Firma stehe vor einem Desaster. Hohlmeier möge doch bitte helfen. "Dickes Bussi".  Noch am selben Abend kontaktierte Hohlmeier den "lieben Jens" und leitete die Nachricht Tandlers weiter. Sie bat ihn, sich schnell darum zu kümmern, da EY nicht fair zu sein scheine gegenüber Emix. Spahn allerdings war bereits vorsichtig. Er erinnerte Hohlmeier in einer SMS-Nachricht daran, dass sich künftig noch Untersuchungsausschüsse mit der ganzen Sache beschäftigen würden. Deshalb wolle er keinen politischen Einfluss nehmen. "Schützt Dich und mich. Lg Jens", simste Spahn an Hohlmeier.

Spahn selbst will auf Anfrage zu den Nachrichten nicht Stellung nehmen. Emix bestätigt, dass es "Ausstände" des Bundesgesundheitsministeriums in Millionenhöhe gebe. Dazu nutze man "selbstverständlich und legitimerweise sämtliche Kanäle".  Monika Hohlmeier wiederum teilt mit, dass Grundlage ihrer Nachricht an Jens Spahn die "wörtlich wiedergegebene SMS von Andrea Tandler" gewesen sei. "Ich hielt Emix für seriös", schreibt Hohlmeier. Selbstverständlich sei es ihr um "keine politische Einflussnahme" gegangen, sie habe Spahn nur informieren wollen. "Später habe ich noch gehört, dass ein Teil gezahlt worden sei".  Hohlmeier hat immer wieder betont, dass sie keinerlei finanzielle Vorteile erhalten habe für die Kontaktanbahnung im Auftrag Tandlers. Warum schaltete Tandler ihre Freundin Hohlmeier erneut ein, als Emix mit dem Spahn-Ministerium über mehr als 168 Millionen Euro stritt? War es der Versuch, politische Verbindungen zu nutzen, um besser behandelt zu werden? Diese Frage von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" ließ Tandler ebenso unbeantwortet wie alle anderen Fragen zu ihrer Rolle in den Masken-Deals.