Der Bundesrechnungshof hat seinen zweiten Bericht über die Corona-Ausgaben der Bundesregierung an den Bundestag geschickt. Nachdem er im ersten Bericht die Verteilung von Masken an Apotheker und die milliardenschweren Freihaltepauschalen für Kliniken kritisiert hatte, prüfte der Rechnungshof diesmal die Maskenbeschaffung durch Gesundheitsminister Jens Spahn. Der Bericht liegt NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" vor.
75 Millionen FFP2-Masken, 200 Millionen OP-Masken Im Kern kritisieren die Prüfer, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Frühjahr 2020 viel zu viele FFP2-Masken und OP-Masken eingekauft habe und zwar zu einer Zeit, als diese weltweit besonders teuer waren. Obwohl das BMG zunächst einen dringlich zu beschaffenden Drei-Monats-Bedarf von 75 Millionen FFP2-Masken und 200 Millionen OP-Masken feststellte, der an die Kliniken und Arztpraxen abgegeben werden sollte, verteilte das Ministerium so viele Beschaffungsaufträge, dass am Ende 5,8 Milliarden Masken an den Bund geliefert wurden. "Massive Überbeschaffung" Diese Menge sei eine "massive Überbeschaffung" gewesen, die das Ministerium auch nicht nachvollziehbar begründen konnte, so die Prüfer. Die "vorgetragenen Berechnungen" aus dem Gesundheitsministerium beruhten "auf sachfremden und unrealistischen Annahmen". Auf die hohe Zahl komme man nur dann, wenn der Bund allen Beschäftigten in Krankenhäusern und Arztpraxen und zudem allen Beschäftigten in sonstigen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialsektors ein Jahr lang Schutzmasken aus Bundesmitteln beschaffen würde.
Das Problem war, dass das Gesundheitsministerium nach Ansicht des Rechnungshofes "über kein Verfahren zur systematischen Mengensteuerung" verfügte und plötzlich auf unterschiedlichsten Beschaffungswegen Masken besorgte. So forderte es erst die Beschaffungsämter des Bundes auf, die Masken zu besorgen, dann kaufte das Ministerium selbständig bei Lieferanten ein. Später beauftragte es Logistikunternehmen, in China Ware einzukaufen. Schließlich kam noch ein so genanntes Open-House-Verfahren dazu, das allen Lieferanten anbot, zum Festpreis von je 4,50 Euro beliebig viele FFP2-Masken an den Bund liefern zu können.
Gerade für das letztgenannte Open-House-Verfahren war zunächst ein Budget von 500 Millionen Euro vorgesehen. Doch schon zehn Tage nach Start des Verfahrens erteilte der Bund Lieferanten 733 Zuschläge mit einem Volumen von mehr als 6,4 Milliarden Euro. Allerdings lieferten am Ende gar nicht alle, so dass dafür nur Kosten von knapp einer Milliarde Euro entstanden. "Die kontrahierten Beschaffungsmengen überstiegen die Auslieferungsmengen an Länder, Kassenärztliche Vereinigungen und Bundesbehörden um ein Vielfaches", heißt es in dem Bericht. Die Folge ist, dass der Bund noch immer auf einer gigantischen Menge von Masken sitzt. So belief sich der Lagerbestand des Gesundheitsministeriums am 1. April 2021 auf rund eine Milliarde FFP2-Masken und 1,4 Milliarden OP-Masken. Über "weite Teile" dieser Masken gibt es zudem Rechtsstreitigkeiten, weil sie angeblich Qualitätsprüfungen nicht bestanden. Allein für externe Berater, Rechtsanwälte, Transport, Lagerung und Qualitätsprüfung muss der Bund 2020 und 2021 weitere 320 Millionen Euro aufbringen.
Bereits im Mai 2020 hatten mehr als ein Drittel der Bundesländer und Kassenärztlichen Vereinigungen das Gesundheitsministerium gebeten, die Lieferungen einzustellen. Erst dann sei dem Bund offenbar klar geworden, "dass die Länder unvorhergesehenerweise auch selbst persönliche Schutzausrüstung beschafft hatten und daher nur geringe Mengen abnehmen wollten." Im Schnitt hat das BMG für eine FFP2-Maske 2,31 Euro bezahlt. Am teuersten war dabei die Beschaffung über das Open-House-Verfahren mit 4,50 Euro und die Direktbeschaffungen des Ministeriums selbst bei einzelnen Firmen, die Kosten in Höhe von 3,39 Euro pro Maske verursachten.
Zwar erkennt der Rechnungshof an, dass das Gesundheitsministerium unter hohem Einsatz im Frühjahr 2020 in kürzester Zeit sich um die Maskenbeschaffung gekümmert hat und damit einen "wesentlichen Beitrag zur akuten Krisenbewältigung" geleistet hat. Allerdings stelle ein solches Vorgehen in der Krise umso höhere Anforderungen an die Mengensteuerung, "die nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes in weiten Teilen nicht vorhanden war". Dazu komme eine "mangelhafte Aktenführung" im Gesundheitsministerium, die dazu führe, dass die Prüfung zu den Masken "noch nicht abgeschlossen ist".