Mitten in der Nacht des 4. März, um 1:42 Uhr, schickte das Bundesgesundheitsministerium den Entwurf für die neue Testverordnung an die Bundesländer. Bis 17 Uhr am folgenden Tag sollten die Länder Stellung nehmen zu den 35 eng bedruckten Seiten voller Paragraphen und Rechtsbegriffe. "Die Kürze der Frist bitte ich zu entschuldigen", mailte der nachtaktive Beamte aus dem Ministerium von Jens Spahn.
Schnell sollte es Anfang März, am Beginn der dritten Welle, tatsächlich gehen, als die Ministerpräsidenten trotz der unklaren Situation erste Öffnungsschritte gehen und diese mit einem Großaufgebot an kostenlosen "Bürgertests" absichern wollten. In dem Verordnungsentwurf kalkulierte das Ministerium auch die Kosten: "Die Finanzierung der Errichtung und des Betriebs von Testzentren führt zu geschätzten Mehrausgaben in Höhe eines niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionenbetrags, abhängig vom Testgeschehen", schrieb das Gesundheitsministerium.
Seit dieser Woche ist klar: Es dürfte deutlich teurer werden. Auf Anfrage teilt das Gesundheitsministerium lediglich mit, "unfinalisierte Verordnungsentwürfe nicht kommentieren" zu wollen. Doch tatsächlich steht auch in der endgültigen Version die gleiche Kalkulation. "Eine Abschätzung über die Gesamtkosten der Bürgertestungen ist nicht möglich, da eine Schätzung der Testanzahl insgesamt nicht möglich ist", schreibt das Ministerium. Zudem lieferten "auch die Abrechnungsdaten bisher kein vollständiges Bild". Erste Zahlen aus dem Bundesamt für Soziale Sicherung weisen bereits auf eine Kostenexplosion hin. Demnach überwies es im April und Mai rund 659 Millionen Euro für Schnelltests an die Kassenärztlichen Vereinigungen. Dabei sind in diesen Zahlen größtenteils die Schnelltests für die Monate März und April enthalten. Da die privaten Schnelltest-Betreiber die Kosten für die Tests laut der Testverordnung "quartalsweise oder monatlich" abrechnen können, ist klar, dass in den aktuell verfügbaren Zahlen, die als Stichtag den 17. Mai haben, wahrscheinlich noch gar keine Mai-Tests abgerechnet wurden - und auch noch mit Nachmeldungen für vorangegangene Monate zu rechnen ist. Selbst das Gesundheitsministerium weist darauf hin, "dass zwischen Leistungserbringung und Abrechnung mehrere Monate liegen können, so dass die Daten nicht das aktuelle Leistungsgeschehen wiedergeben."
Tatsächlich dürften aber gerade die Mai-Zahlen noch einmal deutlich höher liegen als die Zahlen für März und April. Denn erst im Mai erlebten die Schnelltests einen regelrechten Boom, als viele Bundesländer den Zugang zu Geschäften und zur Außengastronomie von einem negativen Schnelltest abhängig gemacht hatten. Intern hält man es bei der Kassenärztlichen Vereinigung für möglich, dass allein für den Monat Mai Kosten von insgesamt einer Milliarde Euro entstehen könnten. Beeindruckend ist bereits das Wachstum der Summen, die das Bundesamt für Soziale Sicherung für die Schnelltests ausgegeben hat. So überwies das Amt Mitte Februar 29 Millionen Euro, Mitte März 64 Millionen, Mitte April waren es bereits 142 Millionen Euro und Mitte Mai 518 Millionen Euro. "Die Ausgabenentwicklung in den Monaten März und April lässt vermuten, dass ein größerer Teil der Gesamtausgaben auf die sogenannten Bürgertests entfallen, "teilt die Sprecherin des Bundesamts für Soziale Sicherung mit.