Staatsanwälte in München haben ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eröffnet und am Mittwochvormittag bei einem Besuch im bayerischen Gesundheitsministerium eine Reihe von Fragen gestellt. Nach Informationen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) geht es bei den Ermittlungen um die Frage, ob der bayerische Staat im März 2020 zu überteuerten Preisen FFP2-Masken bei der Schweizer Firma Emix eingekauft hatte.
Eingefädelt hatte diesen Deal die Tochter des früheren CSU-Politikers Gerold Tandler, Andrea Tandler mit ihrer PR-Firma "Little Penguin" - ebenso wie Maskenverkäufe an den Bund und das Land Nordrhein-Westfalen. Der kleine Pinguin soll für seine Vermittlertätigkeiten an staatliche Stellen insgesamt mehr als 30 Millionen Euro an Provisionen erhalten haben.
Das Verfahren bezüglich des bayerischen Maskendeals beruht auf Paragraf 266 des Strafgesetzbuches, in dem es um Veruntreuung von Steuergeldern geht. Auslöser ist eine Strafanzeige des SPD-Landtagsabgeordneten Florian von Brunn, der die Ermittlungen begrüßt. Der Leiter der Staatsanwaltschaft München I, Johann Kornprobst, war persönlich vor Ort, zusammen mit einer Staatsanwältin aus der politischen Abteilung. "Es dürfte ein ziemlich einmaliger Vorgang sein, dass die Staatsanwaltschaft in einem Ministerium aufschlägt", sagt von Brunn. Er wirft dem Ministerium vor, überteuerte Mondpreise für die Masken bezahlt zu haben.
Nicht nur Bayern, auch das Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn und das NRW-Gesundheitsministerium haben bei Emix FFP2-Masken eingekauft. Der Bund kaufte außerdem noch Schutzkleidung. Insgesamt beliefen sich die Aufträge auf mehr als 683 Millionen Euro. Während das Spahn-Ministerium gegenüber dem Haushaltsausschuss des Bundestages mitgeteilt hat, für die FFP2-Masken im Schnitt 5,58 Euro bezahlt zu haben, kaufte das Land Bayern eine Million Masken zum Stückpreis von 8,90 Euro, Nordrhein-Westfalen bezahlte noch mehr: Das Land orderte 527.200 Masken zum Preis von 9,90 Euro pro Maske. Provisionen in zweistelliger Millionenhöhe - wofür? Laut der Vereinbarung mit Emix sollten Andrea Tandler und ihr Partner Darius N. 5 bis zu 7,5 Prozent Provision bekommen, je nach Vertrag. Das wären gemessen an der Summe des Gesamtauftrags zwischen 34 und 51 Millionen Euro. Ein Großteil des Geldes ist auch geflossen. Allein im Mai 2020 sollen es 14 Millionen Euro gewesen sein. Die jetzigen Ermittlungen wegen Untreue richten sich nicht gegen Tandler und ihren Partner. "Teile des überteuerten Kaufpreises, der aus Steuergeld bezahlt wird, sind in Form von Maklergebühren an Frau Tandler geflossen", kritisiert der SPD-Abgeordnete Brunn. Er wundert sich, dass für den Deal überhaupt eine Maklerin nötig gewesen sein soll.
Zur Rolle von Andrea Tandler teilte Emix auf Anfrage mit: Sie sei "externe Projektmitarbeiterin" gewesen und habe als solche "alle logistische Herausforderungen wie zum Beispiel Liefer- und Flugpläne der eigens von Emix gecharterten Flugzeuge mit den abnehmenden Ministerien in Deutschland koordiniert." Sie habe die Bestellungen "mit größtem persönlichen Arbeitseinsatz" begleitet. Zur Höhe der Provision wollte Emix keine Angaben machen: "Sie werden Verständnis haben, dass wir uns zu Aufwendungen für externe Projektmitarbeiter nicht äußern."` Spahn rechtfertigt sich Auf Anfrage von WDR, NDR und SZ teilte Emix zudem mit, sich aufgrund von "kundenseitig geforderten Vertraulichkeitsvereinbarungen" nicht zum Inhalt der Verträge zu äußern. Gesundheitsminister Jens Spahn nahm am Mittwoch in der Bundespressekonferenz Stellung zum Vorwurf, er wolle in diesem Zusammenhang Transparenz verhindern und sagte: Man habe die Verträge damals "in schweren Zeiten der Not geschlossen" und jetzt, da man sich "noch im Rechtsstreit" befinde, wolle man "schon zum Schutz unserer Rechtsposition die Verträge nicht offenlegen". Gegenüber dem Haushaltsausschuss hatte Spahns Ministerium bereits im März eingeräumt, dass man sich mit Emix noch streite, "ob trotz Nichteinhaltung der Frist noch ein Anspruch auf Lieferung der ausstehenden Mengen besteht". Dabei gehe es um Masken im Wert von 52 Millionen Euro. Die Staatsanwaltschaft München ist übrigens nicht die einzige Behörde, die im Zusammenhang mit den Maskenlieferungen der Emix ermittelt. Bereits im Februar diesen Jahres hatte die Staatsanwaltschaft Zürich im Zusammenhang mit den Lieferungen in die Schweiz "eine Strafuntersuchung gegen Unbekannt eröffnet", wie die Behörde auf Anfrage mitteilt. Von Brunn, der auch bayerischer SPD-Chef ist, hatte mehrere Anfragen zum Masken-Deal im Landtag gestellt und fand die bisherigen Antworten unbefriedigend. Brunn wirft Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und dem neuen Gesundheitsminister Klaus Holetschek vor, nichts dazu beigetragen zu haben, "diesen unglaublichen Skandal aufzuklären". Söder und Holetschek hätten vielmehr "die Öffentlichkeit in die Irre geführt und vertuscht". Brunn hat beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof Klage auf Auskunft eingereicht.
Holetschek hat Brunns Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen. Zu Beginn der Pandemie sei es um "Leben und Tod" gegangen. Schutzkleidung für Ärzte und Pfleger sei Mangelware gewesen, man habe schnell handeln müssen. "Soweit aus dringenden und zwingenden Beschaffungsverpflichtungen zur Erfüllung staatlich, hoheitlicher Aufgaben des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung auch eine Einholung von Vergleichsangeboten nicht möglich war, musste der Auftrag unmittelbar vergeben werden."