Helfer im Ferrari

Wenn die beiden langjährigen CSU-Politiker Alfred Sauter und Georg Nüßlein in die Schweiz schauen und sehen, welche Masken-Deals dort zwei Jungunternehmer eingefädelt haben, müssen sie sich selbst wie Amateure vorkommen.

Zwar sollten auch Nüßlein und Sauter zusammen mit drei Geschäftspartnern nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft München mehr als elf Millionen Euro Provision erhalten beim Verkauf von FFP2-Masken an deutsche Ministerien. Doch die Gründer der Schweizer Firma Emix, Jascha Rudolphi, 23, und Luca Steffen, 24, könnten durch den Verkauf von Masken ans Berliner Gesundheitsministerium (BMG) zehnmal soviel als Gewinn gemacht haben: mehr als 100 Millionen, vielleicht sogar 200 Millionen Euro.

Das Oberlandesgericht München hat einen sogenannten Vermögensarrest gegen den CSU-Politiker verfügt.

Denn über die Emix lief einer der größten Maskendeals des Bundesgesundheitsministeriums. In einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages listet Jens Spahns Ministerium auf, es habe im März und April vergangenen Jahres 150 Millionen FFP2-Masken zum Preis von 5,58 Euro pro Stück bei Emix bestellt, außerdem 210 Millionen OP-Masken und 44 Millionen Einmalhandschuhe. Stolz berichtet das Ministerium: "Im Rahmen der Vertragsverhandlungen gelang es dem BMG, den ursprünglich geforderten Preis von 7,95 Euro pro FFP2-Maske auf 5,95 Euro bzw. zuletzt auf 5,40 Euro pro Maske zu reduzieren." Auch an Schweizer Behörden hatten die beiden Jungunternehmer Masken geliefert.  In Deutschland half die Münchner Unternehmerin Andrea Tandler, eine Tochter des ehemaligen CSU-Politikers Gerold Tandler, bei den Deals und Lieferungen von Emix. Andrea Tandler hatte sich über die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier, Tochter des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß, an Spahn gewandt. "Frau Andrea Tandler informierte den Minister am 9. März 2020 über das Angebot zum Verkauf von Persönlicher Schutzausrüstung durch die Firma Emix", schreibt das BMG in seinem Bericht an den Haushaltsausschuss. 

In der Maskenaffäre sind offenbar noch acht weitere Millionen Euro an Provisionen geflossen.

Gewinnmarge: "Erheblich weniger als 50 Prozent" Die Gesamtsumme der Bestellungen bei Emix reduzierte sich von ursprünglich 969 Millionen Euro auf später rund 670 Millionen Euro, schreibt das BMG. Auf Anfrage der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ) teilten die beiden Jungunternehmer mit, dass sie bei ihren Maskenlieferungen an die Schweiz eine Marge von 20 bis 30 Prozent hatten. Wie hoch war dann der Gewinn bei den Lieferungen ans deutsche Gesundheitsministerium? Auf Anfrage von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) teilt Emix mit: "Die Marge betrug erheblich weniger als 50 Prozent". Genauer wollen die Jungunternehmer es nicht sagen. Wenn man aber allein von der unteren Grenze der Marge in Höhe von 20 Prozent in der Schweiz ausgeht, kommt man auf einen Gewinn von 134 Millionen Euro. Bei 30 Prozent wären es 201 Millionen Euro.

Spahns Ministerium gab dem Bundestag bisher nur wenig mehr als die Eckdaten, legte aber nicht die Verträge und die Korrespondenz dazu offen. Die Verträge sollen strenge Geheimhaltungsklauseln enthalten. Aber warum soll eigentlich unter Verschluss bleiben, wer da was mit wem über Schutzkleidung ausgehandelt hat, was anschließend mit Steuergeldern bezahlt wurde? Emix erweckt den Eindruck, dass vor allem das BMG auf Geheimhaltung dringt und teilt auf Anfrage mit: "Aufgrund von kundenseitig geforderten Vertraulichkeitsvereinbarungen kann sich die Emix nicht zu Inhalten ihrer Kundenbeziehungen äußern." Lukrative Geschäfte trotz teurer Beschaffung Das BMG erhielt zudem Ende März und im April 2020 neue Angebote von Emix und gab Bestellungen zu einem Zeitpunkt auf, als andere Hersteller nicht mehr verhandeln konnten und auf das Open-House-Verfahren verwiesen wurden. Dabei konnten Anbieter generell 4,50 Euro für eine FFP2-Maske bekommen, wenn sie zusicherten, innerhalb weniger Wochen zu liefern. Auf Anfrage rechtfertigt das Gesundheitsministerium diese Praxis. Im März und April, als die letzten Angebote von Emix eintrafen, "waren die tatsächlichen Ergebnisse der Beschaffung im Open-House-Verfahren noch nicht absehbar", erklärt Ministeriumssprecher Hanno Kautz.

Wie lukrativ die Geschäfte waren, sieht man auch an den Luxusautos, die sich die beiden Jungunternehmer gegönnt haben: Einen 963-PS-starken Ferrari, der 350 Kilometer pro Stunde in der Spitze schafft, und einen Bentley. Gegenüber dem Schweizer "Tagesanzeiger" räumten die beiden den Kauf der Autos inzwischen als "Fehler" ein. Gegenüber NDR, WDR und SZ betonten sie, dass sie eine wichtige Leistung erbracht hatten: "Emix übernahm bei ihren Lieferungen einerseits das Risiko von Exportbeschränkungen sowie weiteren Kosten etwa für Zwischenlager, Transport und Logistikkapazitäten, die zu diesem Zeitpunkt äußerst schwer zu beschaffen und extrem teuer waren." Außerdem habe Emix bei ihren Angeboten "stets innerhalb des aktuellen Marktpreises" gelegen.  Seit Februar ermittelt die Zürcher Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Schweizer Schutzmasken-Verkäufen der Emix gegen Unbekannt. "Über den weiteren Verlauf dieser Strafuntersuchung und einzelne Ermittlungshandlungen wird keine Auskunft erteilt", wie Sprecher Erich Wenzinger mitteilt.