CureVac darf an Menschen testen

Weltweit arbeiten derzeit 139 Pharmafirmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus. Zehn von ihnen haben nach Angaben der WHO von den zuständigen staatlichen Behörden bereits die Genehmigung erhalten, ihren Impfstoff-Kandidaten an Menschen zu testen. Heute hat das Paul-Ehrlich-Institut der Pharmafirma CureVac als elfter Firma eine solche Genehmigung erteilt.

Für die Firma ist dies eine Auszeichnung. Sie bedeutet, dass nach Einschätzung der zuständigen Behörde die bisherigen Tierversuche mit dem Impfstoff so vielversprechend sind, dass sie Tests an Menschen für verantwortbar hält.

CureVac wendet bei der Entwicklung des Impfstoffs eine neue Technologie an: Dabei wird sogenannte Messenger-RNA (mRNA) im Labor synthetisiert und enthält eine präzise Bauanleitung für erregerspezifische Antigene.

Auch wenn es bislang noch kein Impfstoff mit dieser Technologie jemals zur Marktreife gebracht hat, sind viele Wissenschaftler überzeugt, dass es nun bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs gelingen könnte. So arbeiten auch die US-amerikanische Firma Moderna und die deutsche Firma BioNTech, die ihren Impfstoff ebenfalls bereits an Menschen testen, mit der mRNA-Methode.

Das Bild zeigt das Coronavirus galerieCuraVec hat nach eigenen Angaben länger geforscht, um das genau passende Teil der RNA des Spike-Proteins zu identifizieren, das die beste und sicherste Immunantwort auslöst.

In einem Gespräch mit NDR und WDR berichtet CureVac-Vorstand Mariola Fotin-Mleczek, dass "die präklinischen Daten sehr gut sind, wir sehen, dass wir mit dem Impfstoff wirklich in allen Tieren eine sehr homogene und gute Schutzwirkung erzielen."

In der im Vergleich zu Moderna oder BioNTech deutlich späteren Zulassung will CureVac keinen Nachteil sehen. Das Unternehmen habe sich Zeit gelassen, das genau passende Teil der RNA zu identifizieren, dass sich am besten für den Impfstoff eignet. "Das hat uns erlaubt, die Dosis noch deutlich nach unten zu reduzieren." Während BioNTech seine Tests am Menschen zum Beispiel mit Wirkstoffstärken zwischen 1 und 100 Mikrogramm macht, könnten für den CureVac Impfstoff vermutlich zwei Mikrogramm ausreichen, wobei eine Testreihe auch mit acht Mikrogramm laufen soll, wie Fotin-Mleczek erläutert.

Die niedrigere Dosis habe unmittelbare Auswirkung auf die Massenproduktion: "Wenn wir bei zwei Mikrogramm bleiben, können wir in der bestehenden Produktionsanlage 200 Millionen Dosen im Jahr produzieren", sagt Fotin-Mleczek. 

Die Produktion des Impfstoffs in großen Mengen habe am Standort Tübingen bereits begonnen. Wenn sich die Sicherheit und Wirksamkeit in den Phase-1 und 2- Studien mit wenigen Personen bestätige, kann CureVac laut Fotin-Mleczek im September mit der letzten und großen Phase 3 starten und dann Anfang kommenden Jahres einen Impfstoff an die Bevölkerung ausliefern.

Bei Phase-3-Studien werden mehrere tausend Freiwillige per Zufall in zwei Gruppen geteilt. Ein Teil bekommt den Impfstoff gespritzt, ein anderer Teil eine Spritze ohne Wirkstoff. Nach einer gewissen Zeit überprüft man dann, wie viele Ungeimpfte sich infiziert haben und ob die Geimpften tatsächlich vor einer Corona-Infektion bewahrt wurden. Eine solche Studie sei in Deutschland derzeit aber kaum durchführbar, weil das Infektionsgeschehen zu gering sei. Deshalb sei CureVac für die Phase 3 bereits mit Studienzentren in Afrika und Brasilien im Gespräch, sagt Fotin-Mleczek.

Die US-Firma Moderna, die mit staatlicher Unterstützung einen Impfstoff entwickelt, will bereits Anfang Juli mit der Phase 3 an 30.000 Freiwilligen starten. Ebenso wie CureVac will auch Moderna schon jetzt mit der Massenproduktion von Impfstoff beginnen - noch bevor die Ergebnisse der klinischen Tests vorliegen, wie Anthony Fauci, oberster Corona-Berater von US-Präsident Donald Trump, in einem Gespräch mit der Ärztezeitschrift JAMA berichtet hatte. "Wir hoffen, dass wir bis November, Dezember wissen, ob wir einen wirksamen Impfstoff haben und dann werden wir 100 Millionen Dosen haben."

Falls die klinischen Tests zu einem schlechten Ergebnis kommen, müssten die Firmen ihren bereits produzieren Impfstoff wieder vernichten. Viele Firmen bekommen aber genau dafür derzeit staatliches Geld, um dieses Risiko abzusichern. Die jetzige Phase 1 bei CureVac wird zum Beispiel mit 15 Millionen Euro komplett finanziert von CEPI, der von der Bill und Melinda Gates-Stiftung 2016 gegründeten weltweiten Impfstoff-Allianz zwischen Staaten, Unternehmen und der WHO.

CureVac gehörte bisher mehrheitlich der Investmentgesellschaft des deutschen Milliardärs und SAP-Gründers Dietmar Hopp. Zu einem kleineren Teil ist auch die Gates-Stiftung beteiligt. Am Montag dieser Woche gab Wirtschaftsminister Peter Altmaier bekannt, dass sich auch der Bund mit 300 Millionen Euro bei CureVac einkaufe, um dem Unternehmen finanzielle Sicherheit zu geben. Auf die geschäftspolitischen Entscheidungen von CureVac werde der Bund aber "keinerlei Einfluss üben".

Am vergangenen Samstag wurde zudem bekannt, dass sich die Bundesrepublik zusammen mit anderen europäischen Ländern auch 400 Millionen Dosen des Impfstoffs gesichert hat, den die Pharmafirma AstraZeneca mit der Universität Oxford entwickelt. Doch an der Qualität dieses Impfstoffs gibt es auch Fragen. So hat der angesehene US-amerikanische Molekularbiologe und ehemalige Professor an der Harvard Medical School, William Haseltime, darauf hingewiesen, dass der unter dem Namen "ChAdOx1“ in der Entwicklung befindliche Impfstoff bei den Tests die Rhesusaffen nicht vor einer Infektion geschützt habe und die Erkrankung nach Gabe des Impfstoffs nur milder verlaufen sei.

"Wir kennen die Daten von Oxford“, sagt CureVac-Vorstandsfrau Fotin-Mleczeck, "die Immunantwort scheint ja deutlich schwächer zu sein als das, was wir bei unserem Impfstoff sehen." Ziel des CureVac-Impfstoffs soll nicht nur Krankheitsschutz sondern auch Infektionsschutz sein, sagt Fotin-Mleczek. "Alle Menschen, die geimpft werden, sollen eine Schutz entwickeln, also ausnahmslos, das ist das Ziel." So soll ein höheres Maß an Antikörpern produziert werden mit der Absicht, dass sie das humane Virus neutralisieren können.