Das wegen der Corona-Krise verhängte allgemeine Verbot von Gottesdiensten löst ersten juristischen Widerstand aus. Der katholische "Freundeskreis St. Philipp Neri" in Berlin geht vor dem örtlichen Verwaltungsgericht dagegen vor.
Dem Antrag zufolge soll das Gericht feststellen, dass die Gemeinde künftig öffentliche Gottesdienste mit bis zu 50 Teilnehmern abhalten darf. Die Gemeinde würde sich im Gegenzug dazu verpflichten, dass die Besucher in diesem Fall "beim Betreten und Verlassen des Gebäudes sowie während der Gottesdienste einen Mindestabstand von 1,5 Metern untereinander einhalten". Außerdem verspricht die Gemeinde, die Namen, Adressen und Telefonnummern aller Besucher zu sammeln und aufzuheben.
Der Priester der Gemeinde, Probst Gerald Goesche, hält das Verbot von Gottesdiensten für "unverhältnismäßig". Wenn Supermärkte offen haben, könnten auch Gottesdienste gefeiert werden, sagt er. "Sie sind in unserer Kirche sicherer als in jedem Supermarkt", sagte er im Gespräch mit NDR, WDR und der "Süddeutschen Zeitung".
Ein Sprecher des Verwaltungsgerichts Berlin bestätigte auf Anfrage, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingegangen sei. Mit einer Entscheidung sei demnächst zu rechnen. Beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof liegt derzeit ein ähnlicher Fall vor. Laut der Nachrichtenagentur dpa hatte auch eine Gemeinde in Bayern gegen das Gottesdienstverbot geklagt. Eine Entscheidung wird bis Gründonnerstag erwartet.
In der Berliner Gemeinde hatten sich am Vormittag bereits etwa ein Dutzend Gläubige in der Kirche St. Afra im Berliner Stadtteil Mitte eingefunden. Propst Goesche sprach mehrere Gebete auf Lateinisch, am Schluss traten die Gläubigen nach vorne, um kniend die Mundkommunion zu empfangen. Dabei legte Goesche jedem eine Hostie auf die Zunge. Einen Mundschutz trugen weder die betagten Gläubigen noch der Priester. Natürlich bleibe da "eine Restrisiko", sagt Goesche. "Aber niemand muss zur Kommunion gehen."
Das "Institut St. Philipp Neri" bezeichnet sich als Lebensverband nach Kanonischem Recht und ist demnach nicht auf Ebene der Diözese, also des Erzbistums Berlin errichtet, sondern auf der des Heiligen Stuhls. Die sehr traditionelle Gemeinde sieht sich nicht in die Strukturen der Katholischen Kirche in Deutschland eingebunden, sondern vielmehr päpstlichem Recht unterworfen.
Die Katholische Kirche in Deutschland missbilligt die Klage der kleinen Berliner Gemeinde. In Kreisen der Deutschen Bischofskonferenz heißt es, dieses Vorgehen sei weder Position noch Linie der Katholischen Kirche in der Corona-Krise. Vielmehr handele es sich um einen Alleingang.
Für Goesche ist es "eine Riesenenttäuschung", dass die katholische Kirche nicht lautstark gegen das Gottesdienstverbot vorgehe - und das auch noch wenige Tage vor Ostern. Er erwarte nun, dass das Verwaltungsgericht Berlin am Montag oder Dienstag über seinen Eilantrag entscheide und die Gottesdienste in seiner Kirche wieder genehmige. Die gegenwärtige "totale Unterdrückung" von Gottesdiensten könne "irgendwann gefährlich werden", sagt Goesche, wenn "Gläubige sich dann unkontrolliert treffen und was machen."
Zur Eindämmung des Coronavirus hat der Berliner Senat am 23. März eine Verordnung in Kraft gesetzt, die Veranstaltungen und Zusammenkünfte weitgehend verbietet. Wer seine Wohnung verlässt, muss demnach einen Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen einhalten. Der Besuch von Kirchen, Moscheen und Synagogen ist zwar erlaubt, allerdings nur zur individuellen, stillen Einkehr.
Mitte März hatte der Berliner Senat zunächst eine Verordnung erlassen, die weniger einschneidend war: Sie ließ Veranstaltungen mit bis zu 50 Teilnehmern zu, wobei sich die Anwesenden in Teilnehmerlisten eintragen sollten. Auf diese frühere, nicht mehr gültige Verordnung stützt sich nun die klagende Gemeinde.
In seinem elfseitigen Schriftsatz vom 31. März argumentiert der Berliner Anwalt Nikolai Nikolov, die Gemeinde habe einen Anspruch darauf, "dass öffentliche Gottesdienste als spezifische Äußerung religiösen Lebens stattfinden dürfen". Dies ergebe sich aus der Freiheit der Religionsausübung, die in Artikel 4 des Grundgesetzes verankert sei.
Das umfassende Veranstaltungsverbot des Berliner Senats, heißt es, "stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung dar und ist insoweit unwirksam". Dass der Staat Leben und körperliche Unversehrtheit schütze, könne den Eingriff allein nicht rechtfertigen.