Corona-Tests: Anspruch und Wirklichkeit

Derzeit erscheinen manche Meldungen etwas widersprüchlich: Am Montag hatte der Präsident des Robert Koch Instituts (RKI), Lothar Wieler, betont: "Wir haben in Deutschland sehr viele Testkapazitäten." Jeder, der einen Coronavirus-Test brauche, bekomme auch einen. Am Freitag berichteten NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" jedoch, dass das Bundesinnenministerium dringend für eine schnelle und deutliche Ausweitung der Testkapazitäten plädiere.

Und es gibt Fälle wie den von Cornelia S.: Die 65-jährige ehemalige Erzieherin fühlt sich seit zwei Wochen krank. Sie huste, sagt sie, und leide an Atemnot. Um 13 Uhr traf Cornelia S. an diesem Montag am Virchow-Klinikum der Berliner Charité ein. Sie zog die Wartenummer 400 und wartete dann in einem der beiden großen Zelte. "Das sah alles sehr sicher aus, wie bei Ebola", sagt sie. "Alle trugen einen Mundschutz, hielten zwei Meter Abstand, der Arzt war hinter einer Glasscheibe, und man sprach mit ihm über ein Telefon, das in Plastik eingeschweißt war."

Acht Stunden musste sie im Zelt vor dem Klinikum warten, bis sie getestet wurde. Erst abends um 21 Uhr konnte sie die Klinik wieder verlassen - allerdings ohne Ergebnis. "Das bekomme ich erst in vier Tagen, hieß es." Dabei hatte der Virologe Christian Drosten, der an der Berliner Charité arbeitet, im Podcast auf NDR Info erklärt: "Die meisten Patienten bekommen schon am nächsten Tag spätestens ihr Ergebnis." Am Freitag - also tatsächlich vier Tage nach dem Test - erhielt Cornelia S. Bescheid: Sie ist an Covid-19 erkrankt.

In Deutschland klafft bei Corona-Tests offenbar eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. An manchen Orten, zum Beispiel in Baden-Württemberg, warten Patienten derzeit auch schon mal eine ganze Woche auf ihr Testergebnis. Das ist kostbare Zeit, in der keine Kontaktpersonen ermittelt und in Quarantäne geschickt werden können, sollte der Test positiv sein.

"Nach einer Woche brauche ich als Patient das Ergebnis schon fast nicht mehr", sagt Professor Kai Gutensohn. Er ist Geschäftsführer bei einer der größten Laborfirmen in Deutschland, der amedes-Gruppe, die an mehr als 70 Standorten täglich mehrere tausend Corona-Proben analysiert. "Wenn bei uns die Probe bis 16 Uhr im Labor ist, bekommt der Arzt am selben Tag bis 23 Uhr das Ergebnis mitgeteilt", sagt Gutensohn.

Auch Jens Heidrich, Leiter eines unabhängigen Labors in Hamburg, sagt, sie lieferten die Testergebnisse in der Regel innerhalb weniger Stunden - und könnten noch mehr Tests durchführen. Die größere Schwierigkeit sehe er in der Logistik und der Verteilung der Proben, sagt Heidrich. Einige Labore - etwa in Unikliniken - würden kaum hinterherkommen, während woanders noch Luft sei. Sie selbst könnten zur Zeit doppelt so viele Proben pro Tag analysieren wie sie es augenblicklich tun, sagt Heidrich.

Das vom Bundesinnenministerium formulierte Ziel, mindestens 200.000 Untersuchungen täglich, sei möglich, sagt Heidrich. "Das können wir vielleicht sogar schon bis Ostern schaffen." Mittlerweile wurden die Testkapazitäten tatsächlich bereits deutlich erhöht. Allein die Labore, die im ambulanten Bereich für niedergelassene Ärzte tätig sind, haben nach eigenen Angaben in der vergangenen Woche mehr als 266.000 Tests durchgeführt - das sind 160.000 mehr als in der Vorwoche. Und auch der Nachschub mit den nötigen Materialien klappe mittlerweile deutlich besser, die Industrie produziere wesentlich mehr, sagt Heidrich.

Andere, wie die amedes-Gruppe, berichten jedoch noch von Lieferproblemen. Viele Labore wollen ab kommender Woche zusätzlich sogenannte Antiköpertests anbieten. "Das wird eine zweite Säule der Einsichtnahme", sagt Gutensohn.

Alle Infizierten bilden etwa ein bis zwei Wochen nach Erkrankungsbeginn Antikörper. Wenn man solchen Antikörper sucht, kann man prüfen, wie viele Menschen sich mit dem Coronavirus infiziert haben, ohne es zu merken. Wissenschaftler können so herausfinden, wie groß die Dunkelziffer der Infizierten in einem Land ist - und damit auch besser einschätzen, wie gefährlich das Coronavirus tatsächlich ist. Eine solche Studie ist bereits in Planung.

Daneben hoffen viele Mediziner auf einen einfachen Selbsttest, der ähnlich wie ein Schwangerschaftstest funktioniert und den Betroffene zuhause nutzen und dann sehr schnell erfahren könnten, ob sie infiziert sind. Der Vorteil: Sie könnten sich ohne Zeitverzug in Isolation begeben und die Menschen in ihrer Umgebung warnen.

Diese sogenannten Antigen-Tests seien etwas völlig anderes als die Antikörper-Tests, sagt Dieter Hoffmann von der Technischen Universität München. Denn mit ihrer Hilfe könne man das Virus selbst nachweisen. Allerdings ist er skeptisch, dass solche Tests schon bald zuverlässige Ergebnisse liefern. Denn bei einigen Infizierten seien nur sehr geringe Virusmengen im Abstrich zu finden. Und um diese zu erkennen, sind die Antigentests seiner Einschätzung nach bislang nicht empfindlich genug.

Eine andere Form von Schnelltest hat zudem diese Woche die Firma Bosch angekündigt, eigentlich bekannt als Autoteile-Zulieferer. Von April an will die Firma den Test anbieten, der neben Corona gleich auf neun weitere Atemwegserkrankungen testet, unter anderem auf Influenza. Die Testkartusche dafür soll unter 100 Euro kosten, wie Joern Ebberg von Bosch mitteilt. Allerdings braucht man für die Analyse auch noch ein spezielles Gerät, in die man die Kartusche steckt. Das Gerät mit dem Namen "Vivalytic" kommt auch von Bosch und kostet zwischen 10.000 und 20.000 Euro. Es soll an einem Tag zehn Corona-Tests schaffen.

Allerdings räumt Bosch ein, dass bisher nur ein paar Dutzend dieser Geräte in deutschen Laboren zur Erprobung stehen. Der Test, so versichert Bosch, habe "eine Genauigkeit von über 95 Prozent" und erfülle "die Qualitätsstandards der WHO". Dem Laborarzt Gutensohn leuchtet der Sinn so eines Geräts allerdings nicht ein. Vielleicht sei es aber ein nettes Nebengeschäft für Ärzte. Denn mehrere private Labore, berichtet Gutensohn, bieten verunsicherten Patienten angeblich bereits einen Corona-Test als Selbstzahlerleistung an - für 128 Euro.