Intensivbetten in Unikliniken noch stark belegt

Noch sind in Deutschland nur wenige Menschen am Corona-Virus schwer erkrankt. Doch die Infektionen breiten sich rasant aus und damit auch die Zahl möglicher Patienten. Geht es in dem Tempo weiter, könnten auch in Deutschland in der nächsten Woche mehr als 10.000 Menschen mit dem Virus infiziert sein - wie aktuell in Italien. Dort berichten Ärzte von dramatischen Situationen in den Kliniken, weil schwer kranke Patienten nicht mehr ausreichend behandelt werden können. So reichen offenbar die Beatmungsgeräte nicht aus, um alle Covid-19-Patienten mit Lungenentzündungen zu versorgen.

Die Frage, die sich also viele derzeit stellen: Wie gut sind die Kliniken in Deutschland auf einen Anstieg schwer kranker Patienten vorbereitet? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wies am Mittwoch in der Bundespressekonferenz darauf hin, dass hierzulande rund 28.000 Intensivbetten und 25.000 Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen. Das Problem ist nur: Sie sind größtenteils belegt mit anderen schwerkranken Patienten. Im Durchschnitt sind sie zu etwa 80 Prozent ausgelastet. Das schwankt jedoch stark und unterscheidet sich von Klinik zu Klinik und von Region zu Region.

Eine Umfrage von NDR und WDR unter allen 38 Universitätskliniken ergab, dass zum Beispiel in den Unikliniken in Leipzig und Hamburg Anfang dieser Woche nur etwa ein Drittel der Beatmungsplätze belegt waren, am Bochumer Klinikum Bergmannsheil die Hälfte, in Greifswald jedoch 95 Prozent und in Augsburg sogar alle verfügbaren Plätze.

Der Gesundheitsökonom Reinhard Busse von der Technischen Universität Berlin sieht dennoch vorerst kein Problem. Eine Situation wie derzeit in Italien kann Deutschland seiner Einschätzung nach gut bewerkstelligen. Insgesamt würden hier pro Einwohner etwa zweieinhalbmal so viele Intensivbetten zur Verfügung stehen wie in Italien. "Wenn wir so ausgestattet wären wie Italien, hätten wir nur 11.000 Intensivbetten", sagt Busse, "tatsächlich haben wir aber 28.000".

Außerdem ist es laut Ärzten und Krankenhausbetreibern beispielsweise möglich, planbare Operationen zu verschieben, um Kapazitäten für Coronavirus-Patienten frei zu halten. Das ist recht kurzfristig möglich. Patienten belegen Intensivbetten im Durchschnitt nur 3,5 Tage lang, sagt Busse. Uta Merle vom Universitätsklinikum Heidelberg appelliert deshalb an alle Krankenhäuser, jetzt Vorbereitungen zu treffen und genau zu überlegen, welche Behandlungen man verschieben könne. Wenn Stationen erst mal unter Stress stehen, gebe es keine Zeit zum Nachdenken mehr.

Insgesamt gibt es in Deutschland in allen Allgemeinkrankenhäusern zusammen rund 450.000 Betten. Etwa 100.000 davon stünden derzeit leer, so Busse. Allerdings seien es größtenteils Doppelzimmer. Grundsätzlich könnten sie für Corona-Patienten genutzt werden, die keine Intensivbehandlung benötigen.

Klar ist allerdings: Die Krankenhäuser können auch in Deutschland in den kommenden Wochen oder Monaten an ihre Grenzen stoßen. Die Situation in Italien sei "die Realität, die auch auf uns zukommen wird, wenn wir nicht jetzt etwas tun, um die Zahl der Fälle pro Zeit zu verringern", sagte der Virologe der Berliner Charité Christian Drosten im NDR-Podcast "Corona-Update". Es gehe darum, die Infektionswelle zu verzögern. Sonst drohten nicht nur Engpässe bei den Betten.

Unklar ist etwa, wie lange die Schutzkleidung ausreicht. Die befragten Unikliniken machten hierzu sehr unterschiedliche Angaben. Während die Uniklinik Heidelberg nach eigener Aussage für die nächsten 100 Tage über Schutzkleidung verfügt, reicht sie in Augsburg nur "für die nächsten Wochen", in Bochum für "ein bis eineinhalb Monate" und in Hamburg "über die Ostertage hinaus". Die Medizinische Hochschule Hannover schrieb, Schutzkleidung sei "generell verfügbar, allerdings mit längeren Lieferfristen und zu höheren Preisen".

Ein weiteres mögliches Problem ist, dass voraussichtlich auch mehr und mehr Ärzte und Pflegekräfte ausfallen. An den deutschen Unikliniken sind nach Informationen von NDR und WDR aktuell mindestens 30 Ärzte und Pflegekräfte aufgrund eines Corona-Verdachts in Quarantäne. Dazu gehören Mitarbeiter der Unikliniken in Aachen, Bonn, München, Tübingen, Hamburg, Hannover und Leipzig. Tatsächlich dürften es aber noch mehr sein, da einige der angefragten Kliniken, wie die Uni Münster, sich weigerten, die Frage zu beantworten.

Die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) sehen vor, dass Ärzte und Pfleger, die mit einem Corona-Infizierten in Kontakt kommen, 14 Tage lang in Quarantäne bleiben sollen, um mögliche weitere Ansteckung zu verhindern. Diese Frist können manche Kliniken aber nicht mehr einhalten. So teilt die Uniklinik Aachen auf Anfrage mit, dass der dortige Krisenstab entschieden habe, "dass Krankenhaus-Mitarbeitende ohne Symptomatik nicht mehr unter Quarantäne gestellt werden". Die Charité in Berlin teilt mit, dass sie "im Moment" den Richtlinien des RKI folge, aber "eine Anpassung der Regelungen in den kommenden Tagen in Erwägung" ziehe.

Die Uniklinik Bonn will "bei einem weiteren Anstieg der Infektionen" entscheiden, "ob Mitarbeiter ohne Symptome weiterarbeiten können, auch wenn ein Kontakt mit einem Infizierten stattgefunden hat". Und das Klinikum der Ludwigs Maximilians Universität München teilt mit, sich an die Vorgaben des RKI zu "orientieren".

Das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg hat mit am meisten Corona-Tests durchgeführt. Von den insgesamt 2000 Tests, die dort bis Anfang dieser Woche gemacht wurden, waren 21 positiv. Das heißt, nur ein Prozent der getesteten Menschen war tatsächlich infiziert. An der Uniklinik Heidelberg waren zwei Prozent der Tests positiv, in Leipzig nur 0,1 Prozent, in Münster zwei Prozent, in Tübingen ein Prozent und an der TU München sieben Prozent.

Die meisten Experten sind sich einig, dass zur Bekämpfung der Pandemie eine möglichst große Transparenz der Lage hilft und Informationen nicht zurückgehalten werden sollen. So hat selbst das US-amerikanische Verteidigungsministerium gestern mitgeteilt: "Die Art und Weise, wie man den Ausbruch kontrollieren kann, besteht nicht darin, Daten zu verbergen, sondern für die Öffentlichkeit transparent zu sein, damit wir ein klares Verständnis des Risikos haben und dann geeignete Maßnahmen zur Eindämmung ergreifen können."

In Deutschland dagegen tun sich selbst viele Unikliniken schwer mit der Transparenz. So beantwortete knapp die Hälfte der Unikliniken Fragen zum Stand der Vorbereitung nicht, dazu gehören die Unikliniken in Rostock, Magdeburg, Halle, Dresden, Jena, Düsseldorf, Erlangen, Essen, Freiburg, Homburg, Köln, Mainz, Mannheim, Regensburg und Würzburg.