
Vielen Firmen wollten Anfang des Jahres 2020 Schutzmasken ans Gesundheitsministerium verkaufen, aber nur einige waren dabei erfolgreich. Einer, dem das gelang, war der damalige CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein. Er soll sich für Masken der Firma Lomotex stark gemacht haben, mehrere Ministerien kauften die Masken - allerdings ohne zu wissen, dass Nüßlein dafür eine hohe Provision bekommen haben soll.
Seit der Fall bekannt wurde, ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München wegen Bestechlichkeit gegen Nüßlein, der inzwischen aus der CSU ausgetreten und als fraktionsloser Abgeordneter im Bundestag sitzt. Die Ermittlungen betreffen auch den bayerischen Landtagsabgeordneten Alfred Sauter, einen ehemals einflussreichen Strippenzieher der CSU, der ebenfalls mitgeholfen haben soll, die Lomotex-Masken zu verkaufen - in seinem Fall ans bayerische Gesundheitsministerium. Für die Ermittlungen reisten Anfang Juni Staatsanwälte aus München und Beamte des bayerischen Landeskriminalamtes nach Berlin, um im Bundesgesundheitsministerium Zeugen zu befragen, vom Sachbearbeiter bis hoch zum Minister.
Nach Informationen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) soll Jens Spahn bereitwillig Auskunft gegeben haben, wie es dazu gekommen war, dass sein Haus zu Beginn der Pandemie für mehr als 30 Millionen Euro Masken bei Lomotex in Hessen einkaufte. Der Tenor der Aussagen: Man habe nicht gewusst, dass Nüßlein bei den Maskendeals Provisionen erhalten habe, man sei getäuscht und menschlich schwer enttäuscht worden.
Was Spahn und andere aussagen, belastet Nüßlein schwer. So sehen es nach Ansicht von Leuten, die mit dem Verfahren zu tun haben, zumindest offenbar die Ermittler. Eine Anklage gegen Nüßlein und Sauter wegen verborgener Provisionen bei dem Maskendeal mit Lomotex wird nach Ansicht von Insidern nunmehr wahrscheinlicher. Gesundheitsminister Spahn wäre dann ein Zeuge der Anklage. Insgesamt haben das Bundesgesundheitsministerium, das Innenministerium und das bayerische Gesundheitsministerium Masken im Wert von 60 Millionen Euro bei Lomotex eingekauft, wobei 20 Millionen Euro für Provisionen und Ähnliches abgeflossen sein sollen. Verteilt haben soll die Gelder unter anderem ein Geschäftsmann, der als Partner von Lomotex agierte und gegen den die Staatsanwaltschaft nun wegen Bestechung von Abgeordneten ermittelt. Der Geschäftsmann weist die Vorwürfe ebenso zurück wie Nüßlein und Sauter. Gegen Lomotex selbst wird nicht ermittelt. Die Firma habe lediglich einige Millionen Euro Gewinn gemacht, was die Staatsanwaltschaft als normal erachte, heißt es aus Justizkreisen.
An Sauter beziehungsweise an mit ihm verbundene Personen sollen hingegen 1,2 Millionen Provision geflossen sein, an Nüßlein 660.000 Euro, zu denen ursprünglich noch weitere 540.000 Euro hinzukommen sollten, so dass auch er 1,2 Millionen Euro erhalten hätte. Erst als diese letzte Tranche fließen sollte, habe die zuständige Bank in Liechtenstein Verdacht geschöpft und die Behörden informiert. Laut einer internen Übersicht hat das Gesundheitsministerium in Bayern drei Millionen FFP2-Masken zum Preis von 3,60 Euro je Stück von Lomotex gekauft und eine halbe Million FFP3-Masken zum Preis von 6,90 Euro. Spahns Ministerium hat nach eigenen Angaben mehr als 7,6 Millionen Masken bei Lomotex geordert. Weder das Gesundheitsministerium noch die Bundespolizei, bei der als Maskenkäufer ebenfalls Zeugen befragt wurden, noch das bayerische Gesundheitsministerium wollten sich zu den Zeugenaussagen äußern. Auch die Generalstaatsanwaltschaft München wollte wegen des laufenden Verfahrens keine Fragen beantworten.
Grundsätzlich heißt es im Kreis der Anwälte der insgesamt fünf Beschuldigten, dass Nüßlein und Sauter nicht als Abgeordnete gehandelt hätten, sondern Sauter als Anwalt und Nüßlein als Geschäftsmann. Gute Beziehungen zu nutzen, wenn die Parlamentsarbeit davon nicht betroffen sei, verstoße nicht gegen das Gesetz, so die Argumentation der Verteidiger. Nüßleins Medienanwalt, Gero Himmelsbach, betont ebenfalls ausdrücklich die Unschuld seines Mandanten: "Denn das Angebot wurde seinerzeit vom BMG ohne Berücksichtigung von Einsatz oder Person von Herrn Dr. Nüßlein beauftragt." Das Angebot sei "absolut seriös" gewesen und der Preis für die Masken habe sogar unter dem später im Open-House-Verfahren bezahlten Preis von 4,50 Euro pro FFP2-Maske gelegen.